1. Grober Sand 04


    Datum: 14.02.2020, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byLoreleyColter

    ... dem Maultier und einem Kalb. Ich lerne Muhammads Frau kennen. Yasemin hat Angst vor mir, aber sie ringt sich dazu durch, mir Essen zu bringen. Ich frage mich, welche Horrorgeschichten ihr die Männer über mich erzählt haben. Sie spricht nicht, sieht mir nicht in die Augen und vermeidet es peinlichst, mich zu berühren. Doch sie sorgt gut für mich.
    
    Ich höre, wie er sich wieder an den Schreibtisch setzt. Die Tastatur des Computers klappert. Langweile ich ihn? Ich erzähle weiter, hauptsächlich um mich selbst zu beschäftigen.
    
    Ich ritze mit den Fingernägeln Striche in die Lehmwand, um das Zeitgefühl nicht zu verlieren. Die Tage vergehen schleppend. Mit einem rostigen Stück Draht habe ich versucht, mein Lederband zu durchtrennen. Malid hat es schnell gemerkt und mir das Ende der Eisenkette mit einem Hängeschloss um den Hals gelegt. Als seine Schwiegertochter die Schürfwunden von dem rauen Metall sieht, gibt sie mir meinen Schal zurück, den ich mir von nun auch wieder über das Gesicht schlinge, denn Yasemin findet mich dadurch weniger furchterregend.
    
    Mit der Zeit dämmert es mir, dass es keine Flucht geben wird, und ich verfalle in Apathie. Ich verweigere Essen und Trinken. Es ist keine bewusste Entscheidung, es passiert einfach. Ich werde wieder krank. Sie zwingen mir Wasser und Brei zwischen die Lippen, ich lebe weiter, aber ich verliere mich in einem katatonischen Zustand.
    
    Bis ich irgendwann in der Dämmerung aufwache und ein kleines Mädchen neben mir im Stroh kniet. Sie ...
    ... betrachtet mich aus großen, schwarzen Augen voller Staunen. Ich halte sie für eine Halluzination.
    
    Doch am nächsten Morgen ist sie wieder da. Und am Tag darauf erneut. Jedes Mal traut sie sich etwas näher heran, bis ich irgendwann von einem Ziehen in meinen Haaren geweckt werde. Da sitzt sie neben mir und dreht eine Strähne zwischen ihren Fingern.
    
    Ich betrachte sie. Bevor ich in die Wüste gegangen bin, habe ich genug ihrer Sprache gelernt, um sie nach ihrem Namen zu fragen. Aber als sie meine Stimme hört, springt sie verängstigt auf und rennt hinaus.
    
    Es vergehen mehrere Tage, bis sie kurz vor Sonnenaufgang wieder neben mir sitzt und mich mit ihren dunklen Augen studiert. Ich sehe sie unter halb geschlossenen Lidern heimlich an und sage nichts. Sie legt den Kopf schief, will meine Haare anfassen, traut sich nicht. Ich lächle leicht. Sie fasst sich ein Herz und greift danach. „Gold. Schön!", sagt sie in gebrochenem Englisch. Ich halte ganz still, während sie mit kindlicher Begeisterung aus meinen Haaren ein kleines Nest für ihre Puppe baut. Nach einer Weile stupst sie mich zaghaft an. „Wie heißt Du?", fragt sie mich. Ich sehe sie vorsichtig aus dem Augenwinkel an und sage ihr ganz leise meinen Namen.
    
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    Ich wickle den Stoffsack, der ihren Kopf umhüllt, soweit nach oben, dass ich ihr die Wasserflasche vor den Mund halten kann. „Langsam", weise ich sie an. Vorsichtig trinkt sie einige Schlucke. Ihre malträtierte Kehle hat zu kämpfen, aber sie ...
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